Hallo liebe Leser,
ich habe nun schon lange nichts mehr geschrieben. Aber heute mal wieder ein paar Zeilen von mir, besser eigentlich von Paul.
Angekündigt hatte ich, über sein Studium zu schreiben. Ich werde niemals chronologisch schreiben, denn das wäre ja für mich endlich und das kann ich nicht ertragen.
Also sein Studium. Ich bin so mega stolz auf ihn. Paul hat sein Abi gemacht und möchte studieren. Ich könnte heute noch vor Stolz platzen. In früheren Blogbeiträgen habe ich geschrieben, dass für ihn die Studienrichtung schon lange feststand. Eigentlich schon immer, mindestens seit der Grundschule…
In den Sommerferien der 11. Klasse hat er zur Vorbereitung ein Praktikum bei Energie Cottbus gemacht. Das hat ihm prima gefallen (na N., das hat dich besonders gefreut :) oder?) und nun musste nur die passende Uni her. Tipps zum Studium hat er sich auch von R. geholt. R. studierte bereits Sportmanagement in Berlin und hat gerade sein Pflichtpraktikum bei Energie absolviert. Die beiden wurden Freunde und haben sich auch später im Studium immer ausgetauscht. Über sein Praktikum kann ich euch ein anderes mal ausführlicher berichten.
Nach vielen Recherchen im Netz kamen dann am Ende 3 Unis in die engere Auswahl: die Esab in Potsdam, die UE Berlin und die EMBA in Berlin.
Also haben wir uns für alle drei Uni’s zum schnuppern angemeldet.
Als erstes waren wir zu dritt an der Esab in Berlin. Das war ein duales Studium. Paul hat es schnell abgewählt. Der Grund war, dass dieses Studium immer 5 Wochen online und dann eine Woche Präsenz in Potsdam war. Im Nachhinein total grotesk: abgewählt, weil es überwiegend ein Online-Studiumon war, da wusste noch keiner was uns in der Pandemie erwartet hat. 😂
Als nächstes sind wir zur UE nach Berlin gefahren. Beeindruckende Vorträge und Präsentationen und ein Rundgang über den Campus. Hier wäre die Studienrichtung Sportmanagement und eine Spezialisierung Soccermanagement möglich. Mega Partner der Uni wurden vorgestellt.
Der dritte „Besuch“ war dann an der Emba in Berlin. Als wir ankamen, waren wir echt die einzigen und darüber sehr überrascht. Da wir schon 2 Unis besucht hatten, wusste Paul genau was er fragen musste. Am Ende war es die familiäre Atmosphäre, die breiter angelegte Studienrichtung Sport-, Event- und Medienmanagement und der staatliche Abschluss nach dem Wechsel im 5. Semester von der Uniphase in Berlin nach Mittweida einschließlich Campusleben, was Paul überzeugt hat. Paul hatte da das beste Gefühl, irgendwie bodenständig und familiär. Das Campusleben in Mittweida konnte Paul nicht nur wegen der Pandemie nicht mehr erleben…
Also ab die Bewerbung und dann zum Eignungstest. Beides überstanden. Ich erinnere mich, dass im persönlichen Gespräch mit Frau H. Paul gefragt wurde: Wie würde dich dein bester Freund in einem Satz beschreiben? Über seine Antwort musste sogar Frau H. lachen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was mir Paul darüber erzählt hat, aber es war eine witzige Antwort. Aus „Mutterperspektive“ fand ich die Antwort nicht so zu ihm passend und fragte: Wie kommst gerade darauf? Und Paul: Das sagt immer N. in der Schule zu mir. OK, dann wird es wohl stimmen und Fr. H. hat es zum lachen gebracht, also alles richtig. N. du weißt bestimmt, was Paul erzählt hat. :)
Irgendwann kam dann die Zusage. Genau wie er sich das vorgestellt hat, kleine Studiumgruppe und super Kommilitonen. Im Oktober 2019 ging es dann los. Paul ist jeden Tag - außer am Freitag, da war vorlesungsfrei - zur Uni gependelt. So 1: 40 Stunde plus 10 min Fußmarsch war das schon. Aber am schlimmsten das zeitige Aufstehen - für mich. In unserem kleinen Dorf fährt natürlich kein Zug. Also habe ich ihn kurz nach 6 Uhr in Lübbenau am Bahnhof abgesetzt. Kurz nach 6 Uhr für mich kaum zu überleben, war sonst immer erst gegen 9 Uhr im Büro und nun schon kurz vor 7 Uhr. Mein Biorhythmus hat gedacht ich spinne. Aber war ja nur für 2 Jahre…..
Von der Uni selbst und lustigen Geschichten aus dem Unileben können sicher seine Kommilitonen besser berichten. Ich weiß nur, er war begeistert und das vom ersten Modul an: Da ging’s um Kommunikation, ein Morgenmagazin usw.. Später hatte er auch einen Lieblingsdozenten, den A. Er hat ihn später auch bei seinen Praktikumsbewerbungen unterstützt.
Eine Story muss ich erzählen: Mitten in der Corona-Pandemie hatte er ein Praxismodul: Musikvideodreh. Falls ihr es vergessen habt, zu dieser Zeit gab es eine Ausgangssperre in Brandenburg. Und ich sollte ihn gegen 1 Uhr nachts in Lübbenau vom Bahnhof abholen. Ich war natürlich das einzige Auto auf der Straße. Ich hab am Bahnhof im Auto gewartet, der Innenraum hell beleuchtet, wenn man drin sitzt. Ich schon Paul getickert: Wann bist endlich da, mich kontrolliert hier sonst noch einer, das Auto ist erleuchtet, weiß nicht wo diese Automatik ausgeht. Er schon wieder nur Lach-Smilies per Whatsup und blöde Kommentare zurück getickert. Und es kam wie es kommen musste, auf der Rückfahrt kam uns die Polizei entgegen und im Rückspiegel hab ich sie schon wenden sehen. Wir schnell um die Ecke abgebogen und zack 2mal Kreisverkehr, dann sehen sie uns sicher nicht mehr. Aber die hatten wahrscheinlich nichts wichtigeres zu tun, also wurden wir in Zerkwitz angehalten: Fahrzeugkontrolle, Warndreieck, Verbandskasten, das volle Programm. Super, das brauchst du nun auch noch nachts, nach 5 Minuten suchen hat mir der Polizist gezeigt, wo das Warndreieck in meinem Auto versteckt ist. :) Naja, also dann weiter nach Hause und dann brauchte Paul noch was zu essen. Super, er konnte ja nächsten Tag ausschlafen im Gegensatz zu mir. Aber wir hatten nächsten Tag eine Riesenstory draus gemacht und sie Dad in allen Einzelheiten erzählt. Ja, so lief das bei uns.
Das Online-Studium in der Pandemie hatte natürlich auch was gutes: ich war auch im Homeoffice und wir aßen mittags zusammen oder konnten zwischendurch labern oder ich konnte ihm beim schimpfen zuhören :) und Paul konnte die neu gemachte Terrasse mit seinem MacBook nutzen. Sooo schlecht, wars also auch nicht. Zumindest für die uns noch verbliebene Zeit - was wir natürlich so nicht wissen konnten - waren wir echt viel zusammen und dafür bin ich dankbar.
Von seinen Kommilitonen hat er mir immer auf der Rückfahrt vom Bahnhof nach Hause erzählt. Hat mich riesig gefreut, dass er viele liebe interessante neue Leute kennengelernt hat. Einige durfte ich persönlich kennenlernen, leider nicht bei der Bachelorparty, sondern auf der Beerdigung. Im Mai wäre der Abgabetermin für die Bachelorarbeit gewesen. Ob nun wegen Corona die Party ausfiel oder nicht, für mich ist immer im 3. Semester Schluss. Kein Ende, kein Abschluss, keine Entwicklung. Für eine Mutter ist es mega mit anzuschauen, wie das Kind sich entwickelt. Seine kreative Seite kannte ich nicht und wenn ich seine Ausarbeitungen oder Projekte bzw. Kampagnen gelesen habe, habe ich immer gestaunt, was er inzwischen so weiß und wo er immer die Ideen dafür herholt. Du bist dir dann als Mutter sicher: Das läuft, das wird gut. Und dann insgeheim gestehst du dir ein, dein Kind überholt dich gerade. Für mich waren alle Augenblicke mit Paul das beste, aber gerade als junger Erwachsener war die Zeit am schönsten.
Und dann plötzlich passiert das, was dir einfach nie zustoßen kann: Dein Kind stirbt.
Einfach nur ungerecht, furchtbar, ohne Worte und ich bin beherrscht von Wut, unendlicher nicht weniger werdender Trauer und Tränen.
Ja es gibt Momente, da kann auch ich mich ablenken, sogar lachen, aber ich bin trotzdem 24/7 von Schmerz erfüllt. Sowas heilt nicht, auch nicht mit der Zeit. Die Aufgabe besteht nur noch darin, es lernen zu beherrschen und es einfach zu ertragen. Und manchmal habe ich tatsächlich Freude, aber dann gerade in diesem Augenblick denke ich nicht an Paul und das ist paradox, denn Freude bedeutet ja eigentlich Augenblicke mit Paul oder ihn aus der Ferne zu beobachten.
Es freut mich, dass ich zu einigen von Pauls Freunden, egal ob Schule, Freizeit oder Studium noch ab und zu mal Kontakt habe. Danke an euch, es hilft mir, ab und zu mit euch ein paar Zeilen zu schreiben, vielleicht hätte mir Paul von genau diesem Moment erzählt, weil ihr zusammen genau dort was unternommen habt. Ab und zu zu hören, wie erst heute von R., dass ihr mal bei „Paul vorbeigeschaut habt“, bedeutet mir viel. Ihn von anderen ignoriert zu glauben, heißt für mich, dass er nochmal stirbt. Vergessen bedeutet sterben. Also macht es mich stolz, wenn ich zufällig ein Auto vor dem Friedhof sehe und junge Leute am Grab stehen. Danke dafür.
So, jetzt mach ich mal Schluss, muss auf andere Gedanken kommen. Fotos aus der Studienzeit habe ich nicht, aber vielleicht finde ich noch das eine oder andere Foto von Paul, dass in die Zeit passt und stelle es in die Bildergalerie.
Apropos: in der letzten Zeit registrieren sich viele als Mitglieder mit fake-emails auf der website, meist irgendwelches Werbezeugs. Ich blockiere die dann immer. Gerade ist es wieder weniger geworden, aber falls ich da mal einen von Euch aus Versehen blockiere, meldet euch. Das möchte ich natürlich nicht.
So, wenn Paul jetzt sehen würde, wie ich chips nasche und dabei auf dem Mac rumtippe…..mega Ärger. :)
Bis bald mal wieder!
Ohne dich - zwei Worte so leicht zu sagen
und doch so endlos schwer zu ertragen.
Du hast ein gutes Herz besessen.
Nun ruht es still, doch unvergessen.
Ich finde die Überschrift so passend, wie oft hab ich das schon gehört: Ach ich lass das jetzt so! 😂